Pseudokrankheit Vitamin-D-Mangel

Schon seit einigen Jahren lese ich regelmäßig das Thema Vitamin D in sozialen Netzen und vereinzelt auch in Medien. Mindestens jeder zweite Deutsche hat einen gefährlichen Mangel und deshalb die schlimmsten nur vorstellbaren Krankheiten zu tragen.

Multiple Sklerose, Krebs, Diabetes, Schizophrenie, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Depressionen, Asthma und sogar Haarausfall, um nur einige zu nennen. Schlechte Nachrichten für Anhänger des Trends: Keine wissenschaftliche Studie konnte auch nur ansatzweise belegen, dass Vitamin D irgendeinen Einfluss auf die obigen Krankheiten hat (Quelle).

Auch für vielgenannte muskuloskelettale Erkrankungen ist das Ergebnis eindeutig, es verbessert keineswegs die Knochendichte und schützt auch nicht vor Frakturen.

Alternativmedizinische Kreise überschlagen sich dennoch weiterhin nahezu täglich mit Meldungen und utopischen Werten von bis zu 100 ng/ml Blut. Und genau hier hört der Spaß auch schon auf, denn die wissenschaftlich gestützten Werte liegen bei nur 10-20 ng/ml laut des Bundesinstituts für Arzneimittel, BfArM (PDF).

Schwere Nebenwirkungen

Die Überdosierung des sogenannten „Sonnenvitamins“ kann zu akutem Nierenversagen, Gefäßverkalkungen, Schäden des Calciumstoffwechsels und Herzrhythmusstörungen führen. Ebenfalls Nebenwirkungen sind Migräne/Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Muskelschwäche, Durchfall und Verstopfung.

„Vitamin D-Präparate sind nutzlos und schädlich“

Wenig überraschend, das Magazin Öko-Test ermittelt, dass die käuflichen Vitamin D-Präparate praktisch wirkungslos und sogar schädlich sind. Bevor mir gleich wieder jemand mit den teuflischen Machenschaften der Pharmaindustrie anfängt: Satte 124 Millionen Euro haben die Deutschen im Jahr 2015 für dieses Nahrungsergänzungsmittel ausgegeben, die im Test reihenweise mit den Noten „mangelhaft“ und „ungenügend“ durchfallen.

Auch Ärzte und andere Fachleute raten von der Vitamin D-Einnahme deutlich ab. Stiftung Warentest warnt unmissverständlich. Ebenso der Expertenrat.

Die berüchtigte Vitamin D/COVID-19-Studie

Wie eine Bombe schlug Anfang März 2021 eine Nachricht über „eindeutigen“ Zusammenhang und Heilungswirkung des Sonnenvitamins bei COVID-19 (Coronavirus) in die sozialen Medien ein. Heilpraktiker bebten, Esoteriker rotierten und die Anhänger feierten ihren fundierten Beweis: Alle Patienten hatten einen eindeutigen Mangel.

Gefühlt tausendfach wurde das Thema geteilt und trendete über mehrere Tage. Die entsprechende Studie wurde mangels Wirkungsnachweis allerdings rasch wieder zurückgezogen.

Wer hat ein Mangelrisiko?

Unter einem Mangel leiden können beispielsweise bettlägerige Personen und solche, die sich aufgrund verschiedenster Krankheiten nicht draußen aufhalten können. Um es abschließend nochmals im Klartext zu vermitteln: Wer nicht zur oben genannten Gruppe Betroffener gehört oder in einer Höhle lebt, sollte von Supplementen die Finger lassen.

Einer normal gesunde Person genügen 5-25 Minuten im Freien für einen optimalen Vitamin D-Spiegel. Auch besteht kein Grund zur Sorge im Winter, denn das Sonnenvitamin kann über Monate im Muskel- und Fettgewebe gespeichert werden.