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Merkmale bei Menschen mit Autismus

Oft wird von „Autismus Symptomen“ gesprochen. Symptome sind per Definition charakteristische Erscheinungen eines Krankheitsbildes – Autismus ist jedoch keine Krankheit. Daher sprechen wir an dieser Stelle von Merkmalen und charakteristischen Eigenschaften. Welche diese sind und wie man sie erkennen kann, erfährst Du in diesem Beitrag.

Charakteristische Merkmale bei Autismus

Vorweg, Autismus ist sehr vielfältig. Das bedeutet, dass Merkmale und Schweregrad nicht bei allen Betroffenen identisch ausgeprägt sind, außerdem treffen sie nie grundsätzlich auf jedes Individuum zu. Deshalb spricht man u. a. von einem Spektrum. Um dennoch eine Orientierung geben zu können, sind die nachfolgenden Punkte die verbreitetsten Eigenschaften.

  • Abweichende sensorische Wahrnehmung
  • Schwierigkeiten in sozialer Interaktion und Kommunikation
  • Schwierigkeiten in sozial-emotionalem Verständnis
  • Repetitive oder restriktive Verhaltensweisen
  • Spezielle, intensive Interessen
  • Beständigkeitsbedürfnis

Abweichende sensorische Wahrnehmung

Betroffene werden oft als „Sensibelchen“ abgetan, doch liegt das nicht an mangelnder Abhärtung, sondern an einer abweichenden Wahrnehmungsverarbeitung. Eine sensorische Unter-/Überempfindlichkeit umfasst alle Sinne, betrifft also das Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken.

Wie autistische Menschen eine visuell/auditive Sensorik erfahren, siehst du im nachfolgenden YouTube-Video:


Genau so umfasst dies ein Interesse an sensorischen Aspekten der Umgebung (augenscheinliche Gleichgültigkeit gegenüber Schmerz, Hitze oder Kälte, Reaktion auf bestimmte Geräusche, Muster, Gegenstände oder Texturen – im Video ab 1:40 Min. zu sehen).

Schwierigkeiten in sozialer Interaktion und Kommunikation

Vielen Autisten fallen Interaktion und Kommunikation in der normierten Welt schwer. Dazu zählen auch Bindungen und Beziehungen. Fragt man die Betroffenen, würden viele antworten, danach auch kein Bedürfnis zu verspüren. Wiederum andere würden gerne, können aber die Herangehensweisen nicht interpretieren und verstehen verdeckte Anspielungen nicht.

Um ein Beispiel zu nennen, viele Autisten mögen keinen Blickkontakt. Einige beschreiben es als Ablenkung, bei der sie in einem laufenden Gespräch schnell durcheinanderkommen, andere als unangenehmes Gefühl. In der neurotypischen Welt ist Blickkontakt jedoch fundamental.

Redewendungen

Das Problem mit Redewendungen kennt vermutlich jeder Autist. Das bedeutet, intensiv Auswendiglernen, denn das meiste davon ist für uns nicht intuitiv. Beispiele für solche Redewendungen und deren Interpretation wären:

  • An die Decke gehen
  • Kannst du das Fenster schließen?
  • In die Luft gehen
  • Ein Loch in den Bauch fragen
  • Sich etwas hinter die Ohren schreiben
  • Sich ein dickes Fell zulegen
  • Einen Kater haben
  • Einen Anwalt einschalten
  • Was willst du da oben?
  • Klar kann ich das! (Fähig das zu tun)
  • In den Urlaub fliegen?
  • Dann fällt das ganze Essen raus!
  • Wie soll man das lesen?
  • Ich bin doch kein Tier!
  • Ich habe keine Haustiere.
  • Sind das Roboter?

Und es gibt diese Vielzahl an paradoxen Wörtern und Wort-Konstruktionen der deutschen Sprache:

  • Trauerfeier
  • Gefrierbrand
  • Hassliebe
  • Stuhlgang
  • Bittersüß
  • Verschlimmbessern
  • Warum feiert man es, traurig zu sein?
  • Etwas gefrorenes und es brennt??
  • Hass lieben?
  • Ein Gang voller Stühle?
  • Was…?
  • WAS???

Es gibt auch im Erwachsenenalter immer noch Redewendungen und ungeläufige Worte. Besonders regionale, zu denen man als Auswärtiger kaum Zugang hat. So oder so bleibt es schwierig und man muss umdenken, da man seiner „Intuition“ ja nicht vertrauen kann.

Schwierigkeiten in sozial-emotionalem Verständnis

Ein begrenztes Einfühlungsvermögen ist wahrscheinlich die bekannteste Verhaltensweise. Zumindest werden Autisten so in der öffentlichen Berichterstattung meist dargestellt. Gefühlskalt oder in Rage. Keineswegs ist es so, dass Menschen mit Autismus keine Gefühle haben und nur als Wüterich auftreten. Sie tun sich nur schwerer, die Emotionen anderer einzuordnen und sie nachzuvollziehen. Das führt oft zu Missverständnissen und erst dann kommt auch mal Wut ins Spiel.

Auch können eigene Gefühle schlecht ausgedrückt werden. Außerdem klappt die Anpassung an eine vorherrschende Stimmungslage meistens nicht.

Repetitive/restriktive Verhaltensweisen

Darunter versteht man sich wiederholende bzw. eingeschränkte Handlungsweisen. Auch hier gilt wieder, dass diese Punkte nicht auf alle zutreffen! Solche Handlungen sind beispielsweise Flattern mit Händen und Armen, Schaukeln mit dem Oberkörper etc. Dazu zählt auch beispielsweise um Punkt 12 zu Mittag zu essen, die Gabel stets an der linken Tellerseite zu haben, sich morgens als erstes die Zähne zu putzen und auch erst danach zu rasieren.

Auch Echolalie, das Wiederholen von bestimmten Wörtern oder Sätzen kann hierunter fallen. Werden solche Routinen unterbrochen oder gestört, entstehen für Autisten Stresssituationen die häufig mit Gefühlsausbrüchen, Overload und/oder Meltdown einhergehen können.

Spezielle, intensive Interessen

Unter Spezialinteressen versteht man die Vorliebe und Fixierung auf bestimmte Themengebiete, beispielsweise das Zusammentragen aller möglichen Informationen zu einem bestimmten Thema (bspw. Vogelarten, Zahlenfolgen, Fahrpläne, Leitungssysteme etc.). Dazu gehört das Sammeln von Gegenständen (bspw. Münzen, Briefmarken, Bilder/Fotos, Sammelkarten, Fanartikel, Modellbau etc.).

Diesen Interessen wird intensiv und perfektionistisch nachgegangen. Sie sind nicht zwingend starr, sondern können sich mit der Zeit ändern. So oder so empfinden es die meisten Autisten als Entspannung und natürlich setzt es zu, wenn diesen Interessen nicht nachgegangen werden kann.

Beständigkeitsbedürfnis

Veränderungen sind für alle Menschen schwierig. Für Autisten ist die Welt jedoch chaotisch und sie versuchen sie zu ordnen, um sich besser darin zurechtzufinden. Es gibt gute und schlechte Veränderungen. Um einige Beispiele zu nennen: Die gute Veränderung wäre, wenn nach monatelangen Bauarbeiten die gewohnte Wegstrecke endlich wieder freigegeben ist. Eine schlechte, wenn das bevorzugte Kaufhaus plötzlich schließt, man seine gewohnten Produkte plötzlich nicht mehr bekommt und sich ein neues, unbekanntes suchen, das erst wieder erkundet werden muss.

Für neurotypische Menschen ist das wohl kein Problem, sie können sich aber auch sehr viel besser im alltäglichen Chaos zurechtfinden und müssen sich nicht strukturieren, um zu bestehen.